„Wer wir denn gleich in die Luft gehen?“

Erschöpfungsursachen des cholerischen und melancholischen Temperaments aus Sicht der Humoral-Medizin.

Sicherlich haben Sie schon einmal einen Menschen kennengelernt, der bei der geringsten Kleinigkeit, die ihn stört, in die Luft geht. Vielleicht gehören Sie auch zu der Generation, die noch das HB-Männchen kennengelernt hat. Wenn sich dieser „kleine Mann“ über etwas aufregte, kam am Ende der Werbung der Spruch „Wer wird denn gleich in die Luft gehen?“. Mit Hilfe einer Zigarette gelang es ihm dann schnell wieder, sich zu beruhigen. In der Temperamenten-Lehre der Humoralmedizin wird jemand, der zu ständigen Wutausbrüchen neigt, als Choleriker bezeichnet.

 

Ein Choleriker hat aus Sicht der Vier-Säfte-Lehre mehr Cholera (Gelbe Galle) in seinem Organismus als die anderen Temperamente Sanguiniker, Phlegmatiker und Melancholiker. „Cholerische“ Menschen verbindet man im Arbeitsleben oft mit sehr viel Ehrgeiz, weshalb man sie oft in Führungspositionen findet. Sie „brennen“ für das, was sie tun, weshalb sie sich mit ganzer Kraft in ihre Aufgabe stürzen, oft auf Kosten ihrer Gesundheit. Sie neigen zu Ungeduld, andere Menschen in ihrer Umgebung sind ihnen oft zu langsam, zu wenig leidenschaftlich. Sie gehören zu dem Typ, den man gerne als Workaholic bezeichnet, was so viel bedeutet, dass sie süchtig nach ihrem Beruf sind und keine Grenzen kennen. Sie neigen zu akuten, hitzigen Krankheiten, was sich z.B. in Bluthochdruck zeigen kann. Auch Herzinfarkt- und Schlaganfall-Patienten findet man bei diesem Temperament. Im Bereich der psychosomatischen Erkrankungen trifft man hier auf den typischen Burnout-Patienten. Dieses Krankheitsbild wird dadurch charakterisiert, dass eine anfängliche Begeisterung für den Beruf, die übertragene Aufgabe und ein oft überdurchschnittlich großer Einsatz irgendwann dazu führt, dass aufgrund von nachlassenden Energiereserven eine allmählich abfallende Begeisterung und dann eine starke Erschöpfung eintritt. In der schulmedizinischen Diagnose liegt bei Burnout-Patienten eine Erschöpfung der Nebenniere vor. Die Nebennieren sind u.a. für die Produktion von Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin zuständig, unseren sogenannten Stress-Hormonen. Diese sorgen dafür, dass bei „gefährlichen“ Situationen unser Körper bereit ist für Abwehr oder Flucht. Sie sorgen dafür, dass genügend Energie in Form von Glucose vorliegt, sie bereiten die Blutgefäße auf mögliche Verletzungen vor, in dem sie die Gerinnungsfaktoren erhöhen und sie schalten das Gehirn um vom Nachdenken auf Intuition. Dadurch soll wertvolle Zeit bei der Reaktion gespart werden, was sich im Ernstfall als lebensrettend erweisen kann. In unserer heutigen Welt kommt es jedoch nur selten zu gefährlichen Angriffen, bei denen wir fliehen oder kämpfen müssen. Der Choleriker braucht seine „Antreiber“-Hormone, um seiner Arbeit, seiner Leidenschaft nachzugehen. Dauert dieser Zustand jedoch zu lange und füllt er seine Energiereserven nicht durch regelmäßige Ruhepausen und eine nährstoffreiche Ernährung auf, kommt es, wie beim Diabetiker im Fall von Insulin durch Schwäche der Bauchspeicheldrüse, zu einer abnehmenden Produktion der Hormone durch Ermüdung der Nebenniere. Aus dem energiegeladenen, feurigen Anführer ist ein antriebsloser, erschöpfter Dauerpatient geworden.

 

Das „Ausbrennen“ entsteht aus Sicht der Humorapathologie aufgrund von nachlassendem Feuer, da durch das Verbrennen immer mehr „Asche“ entsteht, die das Feuer erstickt. Man könnte die Asche als Stoffwechsel-Abfall-Produkte bezeichnen. Der verstärkte Anfall von Metaboliten überfordert die Ausscheidungsorgane, sie lagern sich z.B. in Form von Säuren im Gewebe ab, was auch zu Gicht führen kann, einer im Akutfall ebenfalls hitzigen, sehr schmerzhaften Erkrankung. Und so kommt es, dass aus dem ursprünglichen Choleriker allmählich ein Melancholiker wird, ein Temperament, dass von Kälte und Trockenheit, von Erstarrung und Schwermut gekennzeichnet ist. Solange noch der cholerische Zustand anhält, sind aus Sicht Vier-Säfte-Lehre Methoden wirksam, die den Körper und damit auch den Geist kühlen und befeuchten. Dazu gehört eine pflanzenbasierte Ernährungmit kühlenden Sorten, wie z.B. Salate, Gurke, Zitrusfrüchte, nicht zu scharfes Würzen, Reduzierung von Kaffee und Alkohol und eine ruhige Atmosphäre bei den Mahlzeiten. Entspannungsmethoden wie Meditation, progressive Muskelentspannung oder auch leichtes Ausdauertraining senken den Stresslevel und regen den Parasympathikus, unseren Entspannungsnerv, an. Ein ausreichende Schlafdauer von sieben bis acht Stunden hat auch eine kühlende, befeuchtende Wirkung. Eine Schlafstörung sollte deshalb undbedingt behandelt werden.  Wenn Sie rechtzeitig gegensteuern mit den geeigneten Maßnahmen, können Sie einem Burnout vorbeugen. Und natürlich sollten alle Ursachen, die außerdem einer Erschöpfung zugrunde liegen können, durch eine gründliche Anamnese und Untersuchung ausgeschlossen bzw. behandelt werden. Wenn es dennoch dazu kommt, dass man in den melancholischen Zustand abrutscht, muss man zu anderen Mitteln greifen. Es ist also immer wichtig herauszufinden, welches Grund-Temperament vorliegt.

 

 

 

 

Haben Sie einen Spleen?

 

 

 

Die meisten Menschen haben irgendeine Angewohnheit, die von anderen als „Spleen“, als Spinnerei bezeichnet wird. Das Wort Spleen ist das englische Wort für Milz, und wir alle sollten eine haben. In der Schulmedizin führt sie meist ein Schattendasein Sie wird immer erst dann bemerkt, wenn sie z.B. bei einem Unfall reißt und der hohe Blutverlust zu einer lebensbedrohlichen Situation wird. Oder sie schwillt aufgrund einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (Pfeiffersches Drüsenfieber) an. Diese Krankheit löst oft große Erschöpfung aus. In der Humorallehre ist die Milz mit dem Erd-Element verbunden. Menschen des melancholischen Temperaments sind normalerweise sehr geerdet. Die Neigung zu Tiefgründigkeit kann sich aber auch zu ständigem Grübeln und zum totalen Rückzug entwickeln. Das führt häufig zu Schlafschwierigkeiten, denn das Gedankenkreisen hindert den Melancholiker am Einschlafen. Äußerlich oft ruhig wirkend, neigt er dennoch zu emotionaler Labilität, zu Freudlosigkeit. Die mangelnde Lebensfreude, gepaart mit Schlaflosigkeit und mangelnder (Herzens-) Wärme macht ihn anfällig für Neurosen. Auch bipolare Störungen mit stärkerer Ausprägung der depressiven Phasen sind möglich. Die chinesische Medizin (TCM) assoziiert die Milz ebenfalls mit der Veranlagung zum Grübeln . Sie gilt, zusammen mit dem Magen, als Produzent des Qi, in der chinesischen Medizin ein Ausdruck für Energie, ohne die wir nicht existieren können. Qi wird hergestellt durch Verdauung nährstoffreicher Mahlzeiten, wozu es genügend Verdauunsgfeuer braucht. Ist dieses Feuer erloschen, wie beim Melancholiker, kommt es zu Energieverlust.

 

In früheren Zeiten wurden schwermütige, melancholische Frauen als „milzsüchtig“ bezeichnet. Auch der Spitzname „Trauerklos“ oder „Griesgram“ ist eine beliebte Beschreibung für das melancholische Temperament.. Wenn der Melancholiker darauf achtet, die anderen Säfte zu unterstützen, z.B. durch wärmende, befeuchtende Mahlzeiten und ausreichend soziale Kontakte, kann er ein zufriedenes, gesundes Leben führen.

Dieses Zitat von Giacomo Casanova beschreibt eine weitere Aufgabe der Milz: „Wer viel lacht, ist glücklicher als derjenige, der wenig lacht, denn die Heiterkeit entleert die Milz und frischt so das Blut auf.“ (aus Wiktionary). Die Milz ist für die Entsorgung alter, unbrauchbarer Erythrozyten (rote Blutkörperchen) zuständig und ein wichtiger Teil des Immunsystems. Wird die Milz geschwächt oder muss sie entnommen werden, können diese Funktionen zwar von anderen Organen, z.B. der Leber übernommen werden, Patienten werden aber anfälliger für Infektionen und Blutvergiftungen (netdoktor). Die Säfte-Lehre verkörpert eine funktionsbezogene Medizin. Ist ein Organ nicht mehr vorhanden, wird die „Funktion Milz“ dennoch weiter unterstützt, es gelten also die selben Maßnahmen wie vor einer Organentfernung. Mein Dozent Christian Heimüller vom ZfN in München fasste die nötigen Maßnahmen für die Unterstützung der Milz als „Kindergeburtstag“ zusammen. Es gibt viele Möglichkeiten, einen Melancholiker bei seinen Beschwerden z.B. mit den richtigen Mahlzeiten und auch mit pflanzlichen Arzneimitteln zu unterstützen. Dennoch sollte man auch das Pflegen von künstlerischen Talenten und gemeinsame, Spaß bringende Aktivitäten mit Freunden und Familie in ihrer Wirkung nicht unterschätzen. Und vielleicht kann uns die Erinnerung an glückliche Tage aus unserer Kindheit dabei helfen, die passenden Lösungen gegen ein Übermaß an Melancholie zu finden und es gelingt uns damit, die Erschöpfung zu überwinden, solange sie keine (rein) körperlichen Ursachen hat.

 

Sie möchten mehr darüber wissen, welchem Temperament Sie aus Sicht der Humoralmedizin zuzurdnen sind und welche Möglichkeiten es gibt, aus Ihrer Erschöpfung herauszukommen? Dann vereinbaren Sie gerne einen Termin für ein erstes, kostenloses Informationsgespräch. 

Wenn Sie sich in diesem Artikel nicht wiedergefunden haben, lesen Sie in Kürze meinen neuen Blogartikel, der sich mit den Erschöpfungsursachen des Sanguinikers und des Phlegmatikers beschäftigt.

Lesen Sie auch gerne meine Blogartikel zum Thema TCM und Gefühle:

 

WAS HAT VERMEHRTES GRÜBELN MIT MEINER MILZ ZU TUN

TCM-EMOTIONEN HERZ UND FEUER

 

 

Aufgrund der besseren Lesbarkeit verwende ich bei den Beschreibungen die männliche Form. Selbstverständlich sind alle Geschlechter (männlich, weiblich, divers) angesprochen.